Grenzen Überschreiten: Ein Marathon durch Europa – und der Weg zurück auf zwei Rädern

Grenzen Überschreiten: Ein Marathon durch Europa – und der Weg zurück auf zwei Rädern

Am 27. März 2024 ist Stefan Santifaller im Südwesten Portugals gestartet - mit einer verrückten Vision – jeden Tag einen Marathon zu laufen. Seine Route führte ihn durch Europa, mit einem klaren Ziel: das Nordkap. Und dann, nachdem er das Nordkap erreicht hatte, setzte er noch eins drauf: die Rückreise – aber diesmal auf einem Gravelbike. 


Ein Interview, das von Stärke, Durchhaltevermögen und inspirierenden Begegnungen erzählt.

Stefan, du hast 7.700 Kilometer am Stück zu Fuß zurückgelegt. Wie fühlt es sich an, am Nordkap zu stehen und zu wissen, dass du es geschafft hast?

Es ist ein Gefühl der Ehrfurcht, der Dankbarkeit und tiefen Demut. Nach so vielen Kilometern, die ich zu Fuß zurückgelegt habe, stehe ich nun hier und blicke auf eine Reise, die weit mehr war als nur körperliche Anstrengung. Jeder Schritt hat mir gezeigt, dass der Weg das Ziel ist. Und dass wir als Menschen unglaublich viel erreichen können, wenn wir nur an uns selbst glauben. Am Nordkap zu stehen bedeutet für mich, dass sich Träume realisieren können, wenn man dem eigenen Herzen folgt. Es ist mehr als ein „geschafft“ – es ist der Beweis dafür, dass alles möglich ist.

Und was war dein erster Gedanke, als du das Ziel am 24. September 2024 erreicht hast?

Der erste Impuls war, einfach innezuhalten und die Stille zu spüren. Es war ein Moment der Reflexion, des Friedens und der Dankbarkeit. Und dann kamen die Emotionen: Mein Vater und mein Bruder waren da – mein Vater, der extra wegen meiner Reise seine Flugangst überwunden hatte, und mein Bruder, der mich von Anfang an unterstützt hat. Diese Umarmung war mehr als nur ein persönlicher Moment – sie war die Bestätigung, dass wir zusammen alles schaffen können.

10 Paar Laufschuhe – wie hat sich das auf der Strecke angefühlt? Und wie lief’s mit der Solarpanel-Idee?

10 Paar Laufschuhe. Jedes Paar eine Geschichte. Jeder Schritt ein Stück weiter Richtung Ziel. Die Schuhe haben mich getragen, wenn alles andere müde wurde. Das Solarpanel war mein ständiger Begleiter, und es hat gut funktioniert – zumindest bis ich in Skandinavien war, wo die Wetterbedingungen es schwer machten. Es hat mir gezeigt, wie wichtig Planung und die richtige Ausrüstung sind – gerade bei extremen Bedingungen.

Wenn du zurückblickst, was sind die Eindrücke, die dir besonders im Gedächtnis geblieben sind?

Die Momente der Einsamkeit, die Stille der Natur – besonders in den norwegischen Fjorden. Aber auch die Menschen, die ich unterwegs getroffen habe. Diese Begegnungen haben die Reise erst richtig lebendig gemacht. Und ganz ehrlich: Gerade in den Momenten, in denen ich ganz allein war, habe ich viel über mich selbst gelernt. Es ist die Mischung aus Herausforderungen, der Natur und der Menschlichkeit, die mir so viel gegeben hat.

Was war der Schlüssel, um diese immense Herausforderung zu meistern? Wie hast du es geschafft, die Marathon-Distanz täglich zu laufen, obwohl du kein Profi bist?

Es ging nie darum, wie schnell ich war oder wie viel Erfahrung ich hatte. Es ging um den Glauben an mich selbst – ganz nach meiner Philosophie: „Do. Believe. Yourself.“ Der erste Schritt war entscheidend, dann folgte das tägliche Vertrauen in den Prozess. Ich habe mich nicht überfordert, sondern den Fokus immer auf den nächsten Marathon, den nächsten Schritt gelegt.

Gab es Momente, in denen du am Limit warst und nicht mehr weiter konntest?

Es gab nie einen Moment, in dem ich wirklich an das Aufgeben gedacht habe. Auch wenn es harte Phasen gab – extreme Erschöpfung, schlechte Witterung – habe ich gelernt, diese als Teil des Prozesses zu akzeptieren. Es war gerade die Herausforderung, die mich geprägt hat. Die schwierigeren Momente haben mir gezeigt, wie tief man in sich gehen kann, um weiterzumachen.

Und dann, nach dem Laufen, kam die Entscheidung, mit dem Fahrrad zurückzufahren. Was hat dich dazu bewegt?

Nach den 7.700 Kilometern auf den Füßen wusste ich, dass ich noch nicht fertig war. Das Radfahren war nicht nur eine körperliche, sondern auch eine mentale Erweiterung des Projekts. Ich wollte wissen, wie mein Körper und Geist auf diese neue Herausforderung reagieren würden. Außerdem hatte ich das Gefühl, dass der Abschied von der Strecke noch nicht der richtige Moment war. Ich wollte die Reise auf eine andere, tiefere Weise abschließen.

Kommen wir zu den Details: Gravelbike, das große Abenteuer – was kannst du uns zu deiner Fahrradtour erzählen?

Das Gravelbike war die perfekte Wahl – ein Bike, das für lange Strecken und unterschiedlichstes Gelände gemacht ist. Die Reise begann am Nordkap, und das Ziel war Cabo de São Vicente, der Startpunkt meiner Marathon-Odyssee. Ich habe die Route bewusst anders gewählt als beim Laufen, um neue Gebirgspfade und unentdeckte Landschaften zu erleben. 40 Tage und fast 7.000 Kilometer durch Finnland, Schweden, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Spanien und Portugal. Was für ein Abenteuer!

Was waren die Highlights der Fahrradtour?

Jeder Kilometer war ein Highlight. Die Weite des finnischen Hochlands, die schroffen Pyrenäen, die Weinhänge im Ahrtal oder die historische Küste in Frankreich – jede Region hatte ihren eigenen Zauber. Besonders beeindruckend war das Wiedersehen mit Umeå, meiner alten Studienstadt. Es war eine Art Zeitreise, die mir gezeigt hat, wie viel sich verändert – und wie viel gleich bleibt.

Und gab es auch weniger schöne Momente?

Klar. Die urbanen Gebiete, die schnellen Straßen und Gewerbegebiete waren nicht gerade meine Lieblingsabschnitte. Viel Verkehr, wenig Erholung. Aber auch diese Momente gehören zu einem großen Abenteuer. Es geht nicht nur um das Ziel, sondern auch um das, was du unterwegs über dich selbst und das Leben lernst.

Wie hast du das mit dem Übernachten und Ausrüstungsmanagement auf der Fahrradtour gemacht?

Ich war minimalistisch unterwegs. Alles, was ich brauchte, war in Bikepackingtaschen von CYCLITE verstaut. Beim Übernachten habe ich Zelt und gelegentliche Unterkünfte kombiniert, aber auch die Gastfreundschaft von Einheimischen genutzt. Diese spontanen Einladungen haben das Projekt erst so richtig besonders gemacht. Diese Begegnungen haben mir gezeigt, dass Reisen weit mehr ist als nur die physische Distanz – es geht um die Menschen, die du unterwegs triffst.

Was bleibt am Ende dieses unglaublich intensiven Abenteuers?

Es bleibt das Wissen, dass man mehr erreichen kann, als man sich jemals vorstellen würde. Und dass alles im Leben mit der richtigen Einstellung und einem klaren Ziel möglich ist. Dieses Abenteuer hat mir nicht nur körperliche, sondern vor allem mentale Grenzen aufgezeigt. Ich habe gelernt, dass die größten Herausforderungen die sind, die du dir selbst setzt. Und dass echte Erfüllung aus den einfacheren Momenten kommt – den Begegnungen, der Natur und dem Gefühl, im richtigen Moment am richtigen Ort zu sein.

Und was kommt nach dieser Reise? Was sind deine nächsten Ziele?

Das Projekt geht für mich weiter. Ich will die Erfahrungen und Erkenntnisse in Vorträgen und vielleicht auch in einem Buch teilen. Es gibt immer neue Herausforderungen, aber im Moment freue ich mich auch darauf, wieder mehr im Alltag anzukommen – das heimische Bett, das Lieblingsessen. Aber das nächste Abenteuer ist nie weit entfernt. Das Leben bleibt eine Reise, und die Reise ist der beste Weg, zu wachsen.

Foto Credits: Argento Artistry


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