RIDER INTERVIEW – BENJAMIN SCHMETZ

RIDER INTERVIEW – BENJAMIN SCHMETZ

Wir freuen uns, Benjamin Schmetz als Teil der CYCLITE-Familie begrüßen zu dürfen. Der Belgier ist leidenschaftlicher Ultra-Cyclist, ehemaliger Triathlet und ein nachdenklicher Autor, der seine Abenteuer mit viel Klarheit und Gefühl dokumentiert. In diesem Interview erzählt er, wie er zum Ultra-Cycling gekommen ist, was ihn motiviert, wie er mit Schlafmangel umgeht, sich ernährt, regeneriert und warum Pizza und klassische Musik zu seinen treuesten Begleitern gehören.

Stell dich bitte kurz vor. Wer bist du?

Ich bin Benjamin, 33 Jahre alt, und Sport war schon immer ein Teil von mir. Ich bin einfach jemand, der für Sport brennt. Das gehört zu mir.

Wie bist du zum Ultra-Cycling gekommen?

Als Kind war ich im Rudersport aktiv. Ich war also mein ganzes Leben lang im Sportumfeld unterwegs. Mit 20 habe ich dann gewechselt und acht Jahre lang Triathlon betrieben. Aber irgendwann war ich davon total gelangweilt. Es war alles sehr kommerziell, und ich hatte einfach keinen Spaß mehr daran. Also habe ich mir 2019 ein Gravel-Bike gekauft. Ich sage immer: Ich hatte ein Gravel-Bike, bevor alle anderen eins hatten. Und das war der Schritt, der mich zum Ultra-Cycling gebracht hat.

Was fasziniert dich am Radfahren?

Radfahren war immer ein großer Teil meines Lebens. Als Kind hat mich mein Vater an die Strecke von Lüttich–Bastogne–Lüttich mitgenommen. Ich war erst sieben, aber ich erinnere mich, als wäre es gestern gewesen. Ich liebe wirklich alle Aspekte am Radfahren. Es geht nicht nur um Wettkampf. Es geht auch um Material, Menschen, Training, Physiologie – das alles interessiert mich sehr. Aber mein Leben besteht nicht nur aus Sport. Ich habe viele Freunde, Familie, ein ganz normales Umfeld. Trotzdem: Radfahren ist ein großer Teil von mir.

Was motiviert dich bei deinen Rennen? Was treibt dich an?

Mich motiviert die Schwierigkeit. Ich suche immer nach noch härteren Rennen. Wenn ich eines geschafft habe, will ich das nächste, das noch schwieriger ist. Ich will herausfinden, wo meine körperlichen Grenzen liegen. Ich weiß es noch nicht. Denn beim Ultra-Cycling geht es um viel mehr als nur den Körper. Da ist auch die Schlafstrategie, das Material, die mentale Stärke. Jedes Jahr finde ich neue Wege, mich zu verbessern. Ich bin überzeugt, dass der Körper zu unglaublichen Dingen fähig ist. Irgendwann will ich gegen eine Wand fahren und sagen: Okay, das ist das Limit. Du hast es ausgeschöpft. Ich bin jetzt 33, ich investiere viel in meine Projekte, weil ich weiß: Jetzt und in den nächsten drei bis vier Jahren ist meine Zeit. Und da gehören auch Rennen und Off-Projekte dazu.

Thema Schlaf: Trainierst du gezielt, um mit Schlafmangel umzugehen?

Ich glaube nicht, dass man das trainieren kann. Ich versuche einfach, vor dem Rennen so viel wie möglich zu schlafen. Durch meine Erfahrungen weiß ich mittlerweile, was für mich funktioniert. Bei mehrtägigen Rennen starte ich mit einer vollen Nacht, dann wird der Schlaf jede Nacht weniger. So verliere ich zu Beginn keine Energie und komme gut in den Rhythmus. Wenn ich merke, mein Körper läuft gut und ich bin vorne dabei, dann kann ich am Ende nochmal richtig pushen und auf Schlaf verzichten. Ich selbst brauche Schlaf. Manche fahren zwei Nächte durch, das kann ich nicht. Ich schlafe lieber zwei Stunden und fahre dafür schnell. Ich glaube, das ist auch gesünder und sehr effizient. Ich denke, in Zukunft werden alle bei langen Events mehr schlafen als heute. Es ist einfach effektiver. Wenn du drei Stunden richtig schläfst, kannst du 21 Stunden fokussiert fahren. Wenn du nur eine Stunde schläfst, bist du langsamer beim Fahren und auch beim Essen.

Wie sieht deine Regeneration nach einem Rennen aus?

Ich steige gern schon am nächsten Tag wieder aufs Rad. Ich mag das Gefühl, zu spüren, wie mein Körper reagiert. Ganz locker. Ich mache nichts Besonderes außer Bier trinken. Das ist wichtig, haha.

Hörst du Musik oder Podcasts auf langen Fahrten?

Ja, sehr viel. Ich habe eine Playlist, die ich über Jahre aufgebaut habe. Da ist alles dabei. Klassische Musik funktioniert für mich super, aber auch französische Lieder, die ich mitsingen kann, zum Beispiel von Stromae oder Jacques Brel. Wenn ich off-road unterwegs bin, mache ich die Musik aus. Dann höre ich lieber den Wald, die Tiere, vor allem nachts. Podcasts höre ich nur im Training, nie während des Rennens.

Wie ernährst du dich während der Rennen?

Ich esse keine Gels oder Riegel mehr. Ich habe das probiert, aber nach ein paar Stunden konnte ich nichts mehr davon essen. Am Ende hatte ich zwei Kilo Gels im Gepäck, die ich nicht angerührt habe. Heute esse ich ganz normales Essen. Ich gehe in den Supermarkt, kaufe alles, was ich kriegen kann, und nehme es mit aufs Rad. Viele Backwaren, salzige Sachen wie Pizza. Ganz normales Essen. Und viel Saft – so nehme ich auch beim Trinken Kalorien auf. Das hilft enorm. Man muss so viele Kalorien aufnehmen, dass man irgendwann gar keinen Hunger mehr hat. Aber mit Saft bekommt man Energie und bleibt gut hydriert. Ich mag das sehr.

Hast du ein Lieblingsessen vor dem Rennen?

Das Beste ist eine einfache Pizza. Eine Margherita. Die ist perfekt. Alles drin, nicht zu schwer. Du wirst nicht krank. Wenn man vor dem Rennen was Ausgefallenes isst, ist das oft ein Risiko. Margherita ist immer gut.

Bist du vor Rennen noch nervös?

Nein. Ich mache das für mich. Ich setze mich nicht unter Druck. Früher habe ich das gemacht, aber das funktioniert für mich nicht mehr. Ich habe einen Vollzeitjob. Das Radfahren ist meine Leidenschaft, nicht mein Beruf. Ich will das nicht stressig machen. Wir haben im Alltag schon genug Stress, da muss man sich beim Radfahren nicht auch noch welchen machen.

Was machst du, wenn du während eines Rennens mental ein Tief hast?

Ich habe einen mentalen Schlüssel. Wie wahrscheinlich alle. Etwas ganz Persönliches, das mich antreibt. Ich habe früher immer davon geträumt, Sportler zu sein. Das hat nie so richtig geklappt. Und manchmal denke ich daran. An mich selbst. Und an Menschen, die nie an mich geglaubt haben. Das gibt mir Kraft. Ich glaube, jeder hat seinen ganz eigenen Grund, so viele verrückte Kilometer zu fahren.

Hast du neben dem Radfahren noch andere Leidenschaften?

Schreiben. Ich habe früher viel geschrieben. Ich war Journalist in Belgien. Und ich schreibe immer noch. Deshalb habe ich auch meinen Blog gestartet, auf dem ich Geschichten von meinen Rennen und besonderen Touren erzähle. Ich hoffe, dass da in den nächsten Jahren noch viel mehr dazu kommt.

Wenn du in der Zeit zurückreisen könntest: Was würdest du deinem früheren Ich vor dem ersten Ultra-Rennen sagen?

Ich habe damals viel zu viel mitgenommen, das ich gar nicht gebraucht habe. Heute fahre ich mit dem Minimum. Ich weiß, was ich wirklich brauche und was nicht. Auch mein Mindset hat sich verändert. Beim ersten Ultra habe ich immer auf andere geschaut. Jetzt geht’s nur noch um mich. So schnell wie möglich fahren. Das funktioniert bei mir.

Gibt es ein Rennen oder eine Region, die du unbedingt noch mit dem Rad entdecken willst?

Ja, Asien. Nächstes Jahr würde ich sehr gerne beim Silk Road Mountain Race in Kirgistan starten. Das Land ist einfach wunderschön. Ich würde auch gerne nach Südkorea, das Land und die Kultur kennenlernen. Und ich habe noch eine Idee, die vielleicht noch zu früh ist: Ich würde gerne China durchqueren. Das Projekt ist nicht für nächstes Jahr, aber später vielleicht. Ich glaube, wir wissen viel zu wenig über das Land. Und ich bin sicher, es ist beeindruckend. Es ist nur nicht so leicht, als Europäer dort eine Tour zu machen. Ich muss prüfen, ob das realisierbar ist. Aber Silk Road ist mein Ziel. Die Höhe, die Weite, die wenigen Versorgungsmöglichkeiten – das ist mein nächster Schritt. Aber auch in der Heimat gibt es so viele schöne Orte zu entdecken. Ein Wochenende reicht schon aus für eine Bikepacking Tour. Wir denken oft, wir müssten ans andere Ende der Welt. Dabei liegt das Abenteuer oft direkt vor unserer Tür. Ich möchte den Menschen zeigen, welche Kraft im Sport steckt. Für mich ist Sport das Einzige, das alle Menschen auf der Welt verbindet. Man hat es bei den Olympischen Spielen in Paris gesehen. Alle waren glücklich, Menschen aus aller Welt gemeinsam. Ich will zeigen, dass schon eine einfache Radtour das Leben verändern kann. Das ist keine schöne Floskel, ich glaube wirklich daran.


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Instagram: @benja_gravel
Blog: justasimpleride.com/blog