Rider Interview - Luisa
Ein Interview mit Luisa Werner
Wir haben uns mit Luisa über das Leben im Allgemeinen, ihre Leidenschaft fürs Radfahren und über ihre zurückliegende und kommende Saison unterhalten.
Wenn dich ein Fremder bitten würde, dich in einem Satz zu beschreiben, was würdest du sagen?
Mein Name ist Luisa Werner, ich bin 27 Jahre alt und komme ursprünglich aus Würzburg, Deutschland. Seit gut 2 Jahren lebe ich allerdings in Grenoble, Frankreich. Dort promoviere ich in Informatik.
Über meine Aktivität als Ruderin bin ich zum Radfahren gekommen, da wir oft als Ausgleichstraining Rad gefahren sind. Schnell habe ich die Freude an diesem Sport gefunden und nach einiger Zeit das Rudern komplett an den Nagel gehängt und bin nur noch Rad gefahren. Aus kurzen Ausfahrten sind lange geworden und aus Tagestouren, Bikepacking Trips. Ich bin oft mit dem Rad in den Bergen unterwegs und genieße die Landschaft und Natur von meinem Fahrrad aus. Seit letztem Jahr fahre ich auch Bikepacking Rennen.
Was bedeutet Bikepacking für dich?
Bikepacking ist für mich definitiv mehr als nur ein Hobby. Es ist die perfekte Gelegenheit, Reisen und Sport zu verbinden. Mir gibt es ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit, mit meinem Fahrrad unterwegs zu sein und alles, was ich brauche am Rad zu haben. Dieser Minimalismus zeigt mir immer wieder, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein.
Welche Form von Bikepacking bevorzugst du?
Bikepacking Rennen wie zum Beispiel das Italy Divide haben einen ganz anderen Spirit, als selbstorganisierte Bikepackingtouren, wenn man die Rennen kompetitiv angeht. Bei Rennen reizt mich in erster Linie das Austesten meiner eigenen Grenzen. Daneben mag ich die Atmosphäre, die entsteht, wenn man sich mit vielen anderen RadfahrerInnen der gleichen Herausforderung stellt. Daneben bin ich aber auch gerne mit Freunden oder alleine in Eigenregie unterwegs. Das hat den Vorteil, dass man sich für manche Dinge wie essen, Sonnenuntergang anschauen, Zelt aufbauen etc. mehr Zeit nehmen kann.
Wie trainierst du für deine Rennen?
In der Vergangenheit habe ich leistungssportlich gerudert und mir dabei eine solide Fitnessbasis aufgebaut, von der ich immer noch profitiere. Da ich ohnehin regelmäßig Bikepacken gehe und lange Radtouren mit viel Höhenmetern einbaue, kann ich mich auf meine Ausdauer in der Regel verlassen. Um Verletzungen und Überbelastungen zu vermeiden, versuche ich allerdings schon, meinen Bewegungsapparat gezielt an die Anforderungen von Langstreckenrennen zu gewöhnen. Dafür fahre ich lange, Höhenmeter intensive Einheiten und simuliere die langen, harten Tage eines Rennens.
Ich bin ein besonders großer Fan von Multisport Training. Neben dem Radfahren laufe und schwimme ich im Sommer regelmäßig. In meinen Lauf und Schwimmtraining baue ich auch gerne intensive Einheiten ein, während es mir beim Radfahren eher um Ausdauer geht. Im Winter profitiere ich von meinem Standort in den Alpen und bin vor allem auf Ski anzutreffen (Skitour gehen und Ski Langlauf). Erfahrungsgemäß sind beide Sportarten extrem hilfreich für den Formaufbau im Winter.
Wie sieht dein Zeitmanagement aus?
Ich bin PhD Studentin (Doktorandin) in Frankreich und arbeite im Bereich Informatik. Glücklicherweise bin ich dabei sehr flexibel (Homeoffice, freie Zeiteinteilung), sodass ich meine Arbeitszeiten auch ein bisschen nach Wetter und Tageslicht ausrichten kann. So mache ich z. B. öfters eine lange Mittagspause, um Radfahren zu können und arbeite dafür abends, wenn es wieder dunkel ist. Lange Radtouren mache ich aber vermehrt am Wochenende oder wenn ich Urlaub genommen habe.
Wie planst du deine Rennen?
Im Allgemeinen studiere ich online Kalender (z. B. auf bikepacking.com), ich habe auch Events im Kopf, von denen ich in der Vergangenheit gehört habe. Dann mache ich mir so eine Art Prioritätenliste und gehe durch, wie viel Urlaubstage ich für das Rennen einplanen muss. In der Regel plane ich aber nicht den kompletten Sommer durch, da ich auch spontane Tipps nach Wetter und Laune einstreuen will oder sich im Laufe der Saison oft noch Gelegenheiten ergeben.
So plane ich meine Events im Detail: Zunächst schaue ich mir genau die Strecke an und versuche mein Equipment darauf auszurichten. Ich überlege, bei welchen Temperaturen und auf welcher Höhe ich unterwegs sein werde. Außerdem studiere ich, wo ich circa schlafen würde, um abschätzen zu können, wie viel Schlafequipment ich mitnehme. Bei Rennen ohne Track ist natürlich erheblicher Planungsaufwand bei der Streckenerstellung gefragt. Da teste ich meisten die Vorschläge von verschiedenen Applikationen und frage auch mal Freunde um Rat, die einen unvoreingenommenen Blickwinkel haben und vielleicht noch die ein oder andere schnelleren Alternativen sehen.
Wie bereitest du dich auf diese Rennen vor?
Ich habe keinen Trainer, aber relativ viel Erfahrung bezüglich Training aus meiner Ruderzeit/Rennradzeit. Aktuell habe ich keine Lust, nach einem rigiden Plan zu trainieren und halte mein Training flexibel. Intervalleinheiten absolviere ich lieber in den Sportarten Laufen oder Schwimmen (bzw. Wintersport). Auf dem Rad mache ich meine langen Ausdauereinheiten.
Ich mache kein explizites mentales Training, aber ich versuche mich auf schwierige Situationen einzustellen, in dem ich vorher schon lange und harte Radtouren absolviere, damit das für mich dann nichts Neues mehr ist.
Wie verlief deine Saison 2022?
Meine Saison war super intensiv und abwechslungsreich. Nach einem Ski-geprägtem Winter bin ich bei Italy Divide im April an den Start gegangen und dabei mit dem Gravelbike gefahren. Das Rennen war aufgrund der Wetterlage härter, als ich erwartet habe und ich hab mir manchmal ein MTB gewünscht. Ich konnte dort jedoch sehr hilfreiche Erfahrungen sammeln z. B. bezüglich Schlafequipment, Schlafmanagement ….
Danach bin ich das Race Across France 500 als Vorbereitung für das Three Peaks Race gefahren. Hier habe ich das Rennrad gewählt und ohne Schlaf eine Strecke von 530 km und knapp 9000 hm zurückgelegt und habe dabei versucht, möglichst wenig Pause zu machen. Obwohl ich am Ende etwas Probleme mit der Hitze hatte, hat mir das Rennen viel Selbstbewusstsein für das Three Peaks Bike Race gegeben.
Das Three Peaks Bike Race bin ich dann im Juli angetreten. Das war auch ursprünglich mein Hauptziel für die Saison. Aufgrund meiner Alpenbegeisterung habe ich mich auch schon besonders auf die Checkpoints gefreut und bewusst 2 Wanderungen in meine frei geplante Strecke eingebaut. Viele Fehler, die ich bei Italy Divide gemacht habe, sind mir beim Three Peaks Race nicht mehr passiert. Ich würde sagen, mein Schlafmanagement war optimal, genauso wie meine Verpflegung und Routenplanung. Bei dem Rennen hatte ich viel Spaß und konnte mich mit dem Endergebnis selbst überraschen!
Im September habe ich noch Badlands bestritten. Badlands ist ein bekanntes Gravelrennen in Südspanien, bei dem der Track vorgegeben ist. Hier war eine der Hauptherausforderungen, die Hydrierung und Verpflegung unterwegs. Ich hatte also deutlich mehr Wasserkapazität eingeplant und weniger Schlafequipment.
Abgesehen von den Rennen gab es aber noch weitere Highlights in meinem Bikepacking Sommer: zum Beispiel die Torino Nice Rallye, die ich mit meiner Freundin Carla im August gefahren bin.
Was hast du aus der letzten Saison gelernt?
Neben Rennen will ich auch einige persönliche Challenges angehen: zum Beispiel die 7 Majeurs in den französischen Alpen (ein anspruchsvoller Kurs über 7 Pässe zwischen Italien und Frankreich mit 310 km und 11.000 hm+). Ich möchte außerdem den Reisestress etwas einschränken und mir Rennen aussuchen, die für mich logistisch gut erreichbar sind (weniger Fliegen). Eventuell würde ich mich auch gerne mal an ein MTB Rennen wagen. Im Allgemeinen liegt mir aber wieder eine bunte Mischung aus Rennrad und Gravel bzw. Lang und Kurzdistanz am Herzen.
Ansonsten habe ich auch viel über mein Pacing bzw. meine Herangehensweise bei Rennen gelernt. Aus jedem einzelnen Rennen gab es wieder neue Erfahrungswerte. Besonders gemerkt habe ich, dass es wichtig ist bei mir zu bleiben und mich nicht vom Tracking oder anderen FahrerInnen ablenken zu lassen. Auch bezüglich Schlaf und Equipment habe ich einiges darüber gelernt, was ich wirklich brauche und was nicht. Aber das hängt auf jeden Fall immer von den Anforderungen des Rennens ab.
Wie sehen deine Pläne für dieses Jahr aus?
- Atlas Mountain Race im Frühjahr (Anm.: Luisa hat dieses Rennen bereits als erste Frau und auf der 22. Position in der Gesamtwertung abgeschlossen)
- Mittelgebirge Classique
- Dead Ends & Dolci
- The Bright Midnight
- Nächsten Oktober möchte ich Rhino Run fahren. (Diesen Oktober leider zu spontan)
Was ist deine Superkraft?
Schwer zu sagen. Ich würde sagen, eine ungewöhnliche Eigenschaft von mir ist, dass ich Hike-a-Bike Abschnitte gar nicht so schlecht finde, wenn sie durch schöne Landschaften gehen. Wenn ich alleine durch die Alpen reise, plane ich sie manchmal bewusst ein, um an Orte zu kommen, die sonst nicht zugänglich sind. Von daher nehme ich es auch in Rennen lockerer, wenn das Fahrrad mal geschoben werden muss.
Danke für deine Zeit Luisa und alles Gute für die Saison 2023.
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Photo Credits: Nils Laengner, Cinelli & Patrick Delorenzi