Das Atlas Mountain Race - Ein Interview mit der Siegering Marei Moldenhauer

Das Atlas Mountain Race (AMR) ist eines der härtesten Bikepacking-Rennen der Welt. Die Strecke führt durch die abgelegenen und rauen Landschaften Marokkos – über steinige Pisten, endlose Anstiege und herausfordernde Hike-a-Bike-Passagen. 2025 kam Marei Moldenhauer als erste Frau und 8. insgesamt ins Ziel. Mit ihrer Zeit war sie 5 Stunden schneller, als die bisherige Bestzeit und das auf einer härteren Strecke.
Doch wie bereitet man sich auf ein solches Rennen vor? Welche Herausforderungen treten unterwegs auf – körperlich, mental und organisatorisch? In diesem Interview gibt Marei Einblicke in ihre Vorbereitung, ihre Ausrüstungswahl und die größten Herausforderungen während des Rennens.
Die Vorbereitung auf das Atlas Mountain Race
Training – „Mein Training gehört für mich zum Alltag“
Magst du uns mitnehmen, wie die Vorbereitung in den Monaten vor dem Rennen aussah? Wann hast du entschieden, zu starten?
Ich trainiere seit Februar mit meinem Coach Max Kinzelbauer, und für mich fühlt sich das Training wie ein Kontinuum an – ich trainiere einfach immer. Deshalb hatte ich auch nicht das Gefühl, dass sich etwas grundlegend verändert hat.
Kurz vor dem Rennen gab es natürlich noch einmal eine intensive Phase mit großem Umfang. Das war manchmal schwer mit meinem Job als Ärztin zu vereinbaren. Mein Trainer macht das aber wirklich super – ich habe immer das Gefühl, dass das Training mich fordert, aber nie überfordert. Wenn ich viel Stress auf der Arbeit habe, checkt er das und passt das Training entsprechend an. Denn Stress ist Stress, egal ob körperlich oder mental.
Trainingsumfang
Wie viele Stunden pro Woche hast du in der Vorbereitung trainiert?
Das schwankt bei mir sehr, weil ich im Schichtdienste arbeite. Wenn ich am Wochenende und zusätzlich unter der Woche Dienste hatt, waren es manchmal nur 8 oder 9 Stunden. In Wochen mit mehr freien Tagen waren es auch mal 23 Stunden.
Einen festen Durchschnitt habe ich nicht, aber ich schätze, es lag bei etwa 12 Stunden pro Woche. Es war also viel, aber nicht extrem.
Ausrüstungswahl – Das richtige Fahrrad für das Atlas Mountain Race
„Ich bin jemand, der gerne overbiked fährt“
Neben dem Training – wie sah die restliche Vorbereitung aus? Du brauchtest ja ein anderes Fahrrad.
Ja, das war tatsächlich ein großes Thema. Ich habe gedacht, dass ich diesmal früher dran bin, aber letztendlich war es doch wieder recht spontan. Und ich konnte mein Bike erst 2 Wochen vor dem Rennen zum ersten Mal testen.
Mir war klar: Mit dem Gravelbike fahre ich das nicht. Ich bin lieber overbiked als underbiked, und ein Gravelbike wäre hier definitiv underbiked gewesen – das wollte ich einfach nicht. Also brauchte ich ein Mountainbike.
Ich hatte sowieso schon länger überlegt, mir eines zu kaufen. Das Atlas Mountain Race war dann der perfekte Anlass. Zusammen mit dem Bikeshop Freiburg habe ich schließlich das perfekte Rad gefunden. Die haben mir das netterweise sehr schnell aufgebaut.
Taschenwahl – Lange Strecken ohne Versorgung
Auch die Taschen waren eine Herausforderung. Ich wusste, dass ich viel Platz für Wasser brauche, weil es lange Abschnitte ohne Versorgung gibt.
Ich hatte diesmal eine zusätzliche Weste auf dem Rücken für mehr Wasser, weil ich aufgrund der Rahmentasche keinen Platz für Flaschen hatte. Mit diesem Setup hatte ich insgesamt 4,5 Liter Wasserkapazität.
Wie bei meinen letzten Rennen auch schon, setzte ich auf CYCLITE Tasche, diese sind robust, zuverlässig und dazu noch extrem leicht.
Mein SETUP
Ernährung und Wasserversorgung unterwegs
Wie hast du deine Ernährung unterwegs geregelt?
Ernährung war tatsächlich eine der größten Herausforderungen für mich. Da ich Zöliakie habe, also kein Gluten und damit keine Kekse, Kuchen, Brot, Nudeln etc. essen kann, ist für mich die Ernährung sowieso schwieriger.
In den kleinen Shops gibt es fast nur Kekse und Schokoriegel, und die meisten enthalten Gluten. Es gab viel Omelette oder Tajine, beides hat nicht besonders viel Energie. Daher habe ich viel puren Zucker, Datteln oder Honig gegessen.
Aber es wurde zunehmend schwieriger für mich. Ich hatte Momente, in denen ich einfach nichts mehr essen konnte. Ich hatte einfach keine Lust mehr auf Süßes. Es war dann nicht mal mehr das Problem, dass ich nichts dabei hatte – sondern ich habe schlichtweg vergessen zu essen oder wollte nichts mehr runterkriegen. Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich an einem Tag nur zwei Snickers und ein paar Datteln gegessen hatte. Das war viel zu wenig, aber ich hatte einfach keine Lust mehr auf irgendwas.
Planung der Wasserversorgung
Wie hast du die Wasserversorgung geplant?
Es gibt ein Roadbook mit Infos zu den Versorgungsstellen, aber man kann sich nicht immer darauf verlassen, dass wirklich alles da ist. Der längste Abschnitt ohne Wasser war etwa 100 km mit viel Hike-a-Bike, dafür war es wichtig ausreichend Wasser mitzunehmen.
Mentale und körperliche Herausforderungen
Lange Nächte
Wie bist du mit dem Schlafmangel umgegangen?
In Marokko sind die Nächte um diese Jahreszeit ca. 12h lang. Dafür braucht man gutes Licht und die Fähigkeit lange im Dunkeln zu fahren. Ich habe nicht viel geschlafen während des Rennens - ich plane meine Schlafstrategie meist nicht vorher sondern schaue unterwegs wie viel schlaf ich brauche.
Das hat dieses mal nicht ganz so gut geklappt und ich bin in eine Situation gekommen, in die ich eigentlich nie kommen wollte - ich war auf dem Rad aber eigentlich zu müde zum fahren. Das möchte ich nie wieder erleben und habe aus meinen Fehlern gelernt. Für mein nächstes Rennen möchte ich mir daher im Vorhinein doch etwas mehr Gedanken zu möglichen Schlafplätzen und -Zeiten machen.
Wie bist du aus dieser Situation herausgekommen?
Ich habe geschlafen. Ich habe es bergauf gemerkt, daher war die Situation nicht so gefährlich wie sie hätte sein können. Dann habe ich mich bei der nächsten Gelegenheit an den Straßenrand gelegt und eine Stunde geschlafen. Es war schon Tag, weshalb ich das Tageslicht ausnutzen wollte, aber die Stunde macht einen riesigen Unterschied -das Gehirn funktioniert danach einfach wieder.
Periode während des Rennens
Ich habe während des Rennens meine Tage bekommen – und es gibt wohl kaum einen schlechteren Zeitpunkt und Ort dafür als die Wüste. Genau dort war ich also, mitten im Sand, ohne Wasser, ohne irgendeinen Ort, um mich zu verstecken – kein Baum, kein gar nichts. Und es war heller Tag.
Ich war gerade in einem Abschnitt, in dem ich mit einem anderen Fahrer immer wieder hin und her überholt habe. Mal war er vor mir, mal ich vor ihm. Ich habe mich dann seitlich abfallen lassen und musste das irgendwie organisieren – mitten in der Wüste. Ich hatte überlegt abzuwarten aber dann wurde es immer schlimmer und ich musste was tun.
Ich hatte zwar Menstruationsprodukte dabei, aber ohne Wasser ist das echt nicht einfach. Ich hatte Hygienetücher dabei, aber so richtig sauber werden die Hände davon eben nicht. Ich hätte einfach Wasser gebraucht, um mir ordentlich die Hände zu waschen. Also musste ich mich mitten in der Wüste am helllichten Tag hinhocken und das irgendwie regeln. Das sah bestimmt lustig aus.
Später, im nächsten Dorf, wollte ich das auf einer Toilette in Ordnung bringen –aber die Toilette war so gar nicht dafür ausgelegt. Daher musste ich den Tag irgendwie damit klar kommen, dass alles voller Blut war.
Im Nachhinein kann ich darüber lachen, aber in dem Moment war es schon hart – zumal ich sowieso schon Sitzbeschwerden hatte. Und dann kommt das noch dazu, was das Ganze nicht gerade angenehmer macht.
Periode während eines Rennens oder Trainings. Wie gehst du damit um?
Im Training habe ich zum Glück kaum Probleme. Ich habe relativ wenig Schmerzen während meiner Tage.
Tatsächlich ist meine Periode sogar ein Zeitpunkt, an dem ich harte Trainings gut vertrage und mich stark fühle.
Während eines Rennens ist es normalerweise auch kein Problem. Ich benutze eine Menstruationstasse oder Disc, die ich vorsorglich einsetze, wenn ich meine Tage erwarte. Aber diesmal kam die Periode unerwartet.
Es scheint häufiger vorzukommen, dass Frauen bei Ultracycling-Rennen plötzlich ihre Tage bekommen, wahrscheinlich wegen des körperlichen Stresses. Das macht die Logistik komplizierter. Aber mit den richtigen Produkten komme ich gut zurecht – und da ich zum Glück keine Schmerzen habe, hindert es mich auch nicht daran, mein Rennen gut zu fahren.
Fazit – Learnings aus dem Rennen
Gab es ein Highlight?
Schwer zu sagen, weil die Strecke so schön war. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir ein Abschnitt in den Canyons – ich war komplett offroad unterwegs, aber einfach glücklich. Die Landschaft war unglaublich.
Besonders schön war eine strecke kurz nach Checkpoint 2. - hier gab es viele Hike-a-bike Passagen aber es war einfach wunderschön. Die Landschaft in Marokko ist sehr schön und vielfältig. Einmal sind es rote sandige Berge, im nächsten Moment schroffe, hellweiße Felsen und dann wieder kleine Oasen mit Palmen und knallgrünem Gras. Das ist unglaublich.
Ein Perspektivenwechsel
Wenn es mir mal schwerer fällt positiv zu sein gibt es viele Tools und Methoden die mir helfen wieder positiv zu denken. Eine davon ist meine Musik, eine andere ist, die Landschaft bewusst wahrzunehmen, ein dritter, mir klar zu machen wie privilegiert ich bin. Ich kann mir die nötige Ausrüstung und das Training leisten, ich bin körperlich fit und habe keine Verletzungen die mich daran hindern so etwas zu fahren und ich komme aus einem Land, in dem es vergleichsweise normal ist, dass Frauen und FLINTA*-Personen auf dem Fahrrad sitzen. Das ist alles nicht selbstverständlich
Welche Tipps hast du für Teilnehmer:innen?
- Das richtige Setup macht einen riesigen Unterschied. Ich bin sehr froh, dass ich ein Mountainbike genommen habe.
- Langsamkeit akzeptieren. Man kann sich nicht gegen die Bedingungen wehren – man muss sich ihnen anpassen.
Würdest du das Atlas Mountain Race nochmal fahren?
Ja auf jeden fall - nur gibt es viele Rennen, die ich noch fahren will, daher werde ich zunächst vermutlich andere Rennen fahren. Aber ich will unbedingt wieder einmal nach Marokko.
Wir gratulieren Marei zu ihrem Sieg und der Wahnsinns-Leistung.
Wenn du mehr über sie erfahren möchtest folge ihr auf Instagram: @marei.mol
Foto Credits: Nils Laengner
Hinterlassen Sie einen Kommentar