Wie man Ultradistanzen mit Stil fährt
Ultradistanzen zu fahren ist eine Sache. Aber sie mit Stil zu fahren ist eine andere. Wenn du Daniels Reise auf Instagram verfolgt hast, scheint es so, als wäre dieses Fahrt eine einzige Party gewesen. Er fuhr mit einem breiten Grinsen im Gesicht, tanzte auf den Straßen Berlins und trank auf den letzten Kilometern der Strecke ein Bier.
Hey Daniel, was ist das Northcape4000 genau?
Die Northcape4000 ist eine Radsportveranstaltung, die die Teilnehmer von Italien zum Nordkap führt. Die Strecke ist 3800 km lang und ohne Support, d.h. die Uhr bleibt nie stehen, die Fahrer sind selbst dafür verantwortlich, zu planen, wann sie fahren, wann sie sich ausruhen und welche Lebensmittel und Getränke sie mitnehmen. Die Strecke ändert sich jedes Jahr leicht: In diesem Jahr mussten die Teilnehmer Checkpoints in München, Berlin, Stockholm und Rovaniemi passieren, um dann am Nordkap zu enden.
DIE IDEE - wann bist du auf die Idee gekommen, an der Veranstaltung teilzunehmen?
Ich habe bereits letztes Jahr teilgenommen, also war dieses Jahr mein zweite Teilnahme. Das erste Mal war eher ein Zufall. Ich hatte zwei Wochen unbezahlten Urlaub genommen, um meine Eltern in Griechenland zu besuchen und bin mit dem Fahrrad über Istanbul, Izmir, Athen und dann nach Kreta gefahren. In der zweiten Woche bin ich über Patras, Bari, Zürich zurück nach Bayern geradelt und habe auf dem Weg nach Istanbul jemanden getroffen, der sich gerade für das NC4000 vorbereitet hat. Da wurde ich auf die Veranstaltung aufmerksam. Letztes Jahr habe ich zum ersten Mal teilgenommen und war auch recht erfolgreich - ich belegte den 10 Platz. Allerdings litt ich immer noch unter der Post-COVID-Müdigkeit, was das Unterfangen super hart gemacht hat. Ich war sehr müde und schnell erschöpft. Als ich das Ziel erreichte, war ich mir sicher, dass ich das Rennen kein zweites Mal fahren werde. Als dann im Oktober letzten Jahres die Strecke veröffentlicht wurde, sah ich, dass sie von München nach Berlin und Sachsen führt, was meine Heimat ist - da beschloss ich, wieder mitzumachen und meldete mich an.
Wie bereitest du dich darauf vor?
Nun, ich fahre ziemlich viel Rad. Ich versuche, 6-8 Stunden in der Woche zu fahren, was nicht viel ist, aber ich arbeite Vollzeit und versuche immer, alles unter einen Hut zubekommen - das klappt auch ganz gut. Wir haben keine Kinder, Lisa (meine Freundin) und ich. Deshalb ist das Training im Moment kein großes Thema.
Wir versuchen gemeinsam viel Zeit auf dem Fahrrad zu verbringen. Allerdings gibt Lisa bei unseren gemeinsamen Ausfahrten das Tempo vor, einfach weil es uns beiden mehr Spaß macht und darum geht es ja. Das ist es, was das Radfahren zum schönsten Hobby der Welt macht. Zur Vorbereitung habe ich dieses Jahr einige längere Ausfahrten unternommen - von Erfurt nach Rügen, das waren 500 km. Dann bin ich noch 300 km von Klingenthal über den Fichtelberg zu meinen Eltern geradelt.
Und ein weiteres Rennen, an dem ich jedes Jahr teilnehme, ist das Heavy, ein 24-Stunden-Mountainbike-Rennen in Rabenstein bei Chemnitz. Dafür habe ich mir ein Mountainbike geliehen, weil ich keins mehr besitze. Normalerweise ernte ich einige Blicke von anderen Fahrern, wenn ich mit meinen Rennradschuhen ankomme, bei einem Mountainbike Event sieht das anders aus. (lacht). Zum Glück hat es nicht geregnet, also hat es auch mit Rennradschuhen funktioniert. Außerdem war dieses Rennen eine gute mentale Vorbereitung. 24 Stunden lang immer wieder die gleiche 10km Runde zufahren braucht viel Motivation.
Was hast du in deine CYCLITE Taschen gepackt?
Ich hatte noch meine Packliste, als ich nach Griechenland und Istanbul gereist bin - ich glaube, ich hatte damals 35 kg Gepäck. Letztes Jahr bin ich diese Packliste mit einem Textmarker durchgegangen und habe all die Dinge gestrichen, die ich nicht unbedingt brauchte. Für das Nordkap im letztenJahr habe ich mich auf 3 Radlerhosen beschränkt - dieses Jahr habe ich vorsichtshalber noch eine weitere mitgenommen. Außerdem habe ich einen Schlafsack, eine Isomatte, ein Kissen und einen Biwaksack mitgenommen. Einfach alles, was es mir ermöglicht, draußen zu schlafen, denn das ist das Abenteuer, das ich suche. Es gibt sicher Fahrer, die jede Nacht in einem Hotel schlafen. Aber das ist nicht mein Stil und kostet zu viel Zeit, jede Nacht eine Unterkunft zu suchen.
Hattest du einen Essensplan für das Rennen?
Ja und nein. Diese Frage kann ich nicht wirklich beantworten. Ich bin mit einem vollgepackten Fahrrad gestartet. Ich hatte genügend Wasser, 18 Schokoriegel zum Mitnehmen und 3 Schokocroissants dabei. Ich hatte auch ein paar Energiegels dabei, aber die mag ich nicht so gerne. Also habe ich sie gemieden und mein Essen an den Tankstellen gekauft. Ich habe immer versucht, 2 oder 3 Snickers als Notreserve dabei zu haben, damit ich so weit wie möglich komme. In Schweden habe ich mir bei Decathlon einen 10-Liter-Faltrucksack gekauft und ihn mit Lebensmitteln gefüllt. Ich habe ihn nicht einmal ganz voll gemacht, aber es hat gereicht, um mit einem vollen Bauch ins Bett zu gehen, egal wo ich geschlafen habe.
Wie viel der Herausforderung ist körperlich und wie viel mental?
Ich würde sagen 50/50. Ich meine, wenn man erst einmal ein Stadium erreicht hat, in dem es dem Kopf an Schlaf mangelt, dann helfen die besten Beine nicht mehr. Wenn in deinem Kopf nur noch Chaos herrscht, kannst du kaum noch etwas kontrollieren.
Diesmal bin ich durch meine Heimatstadt Rochlitz gefahren, dort hatte ich eine relativ große Fangemeinde. Eigentlich hat sich die Fangemeinde in den ersten 4-5 Tagen des Rennens entwickelt. Als ich durch Schweden fuhr, wurde ich jedenfalls mit Nachrichten überflutet und bekam viele Anrufe von Freunden und Fans, was natürlich unheimlich motiviert.
Die Checkpoints
Roverto in Italy:
gemischte Gefühle, weil ich nicht wusste wie stark die anderen Teilnehmer sind. Ich hatte nie die Absicht, den ersten Platz zu belegen. Die Entfernungen bei dieser Veranstaltung sind riesig, das Rennen mit dem Gedanken zu beginnen, als Erster ins Ziel zu kommen, wäre völlig arrogant, das bin ich nicht.
Beim Start hatte ich wie immer weiche Knie und war nervös. Ich wusste, dass die Route gleich eine schmalen Pfad entlang führen würde, der Gedanke dass da 200 Teilnehmer gleichzeitig fahren möchten, machte mich nervös. Also setzte ich mir ein Ziel: Ohne Sturz durchzukommen. Das war mein einziges Ziel auf den ersten 100km.
Munich:
Sehr müde. Es war halb zwei mitten in der Nacht, als ich ankam. Die Müdigkeit war die eine Sache, aber dann gab es auch noch so viele Glasscherben auf den Radwegen in der Stadt. Die größte Herausforderung war tatsächlich den Splittern auszuweichen.
Berlin:
Berlin war ziemlich lustig. Ein Teilnehmer vom letzten Jahr rief mich an und fragte, ob er mich eine Zeit lang begleiten könnte. Also sind wir zusammen aus Berlin rausgefahren.
Stockholm:
Stockholm war ziemlich entspannt. Ich hatte 3 Stunden bis zur Fähre, also hatte ich viel Zeit. Leider gab es in dieser Zeit nicht viel zu tun, weil alles geschlossen war. Ich bin dann in den 7-Eleven geganen, habe mir eine riesige Tüte Haribo gekauft, ein paar Bananen und Wasser mitgenommen und meine Taschen aufgefüllt.
Rovaniemi:
Dort war nicht viel los. Da es auf den letzten 150k, keinen Supermarkt gab, musste ich in einen Laden gehen. Ich ließ mir Zeit, denn ich wusste, dass der Kontrollpunkt ohnehin geschlossen war. Wieder einmal kam ich eine halbe Stunde zu spät zum Weihnachtsmann, so dass ich ihn nicht gesehen habe. Ich glaube immer noch nicht, dass es ihn gibt, weil ich ihn nie gesehen habe.
North Cape:
Auf den letzten 20-30 km wurde mir klar, dass ich das Rennen gewinnen konnte.
Ich hatte mir immer gesagt, dass ich erst daran glaube, wenn ich so nah dran bin, dass ich selbst wenn ich 20-30 km vor dem Ziel einen technischen Defekt hätte, mein Rad schieben oder sogar auf den Schultern tragen und laufen könnte. Wenn deine Speichen brechen, kann das Rennen sehr schnell vorbei sein. Also habe ich immer versucht, die Räder am Laufen zu halten und so wenig Pausen wie möglich zu machen. Das war meine Philosophie. Und ja, das hat wirklich gut funktioniert.
Welche Gedanken hattest du auf der Fähre?
Auf der ersten Fähre hatte ich das Glück, die frühere Fähre um 7 Uhr zu erwischen. Auf der zweiten Fähre erlebte ich eine Art Schockmoment. Francesco, ein anderer Fahrer, kam 10 Minuten vor der Abfahrt am Fährterminal an. Wir haben auf der Fähre zusammen gefrühstückt, und dann habe ich versucht, gut zu schlafen, denn ich wusste: Jetzt geht es los!
Was war der schlimme Moment im Rennen?
Als ich erfuhr, dass Francesco auf der gleichen Fähre war (lacht). Natürlich war es schön, jemanden an meiner Seite zu haben, aber gleichzeitig wusste ich, dass es jetzt ernst wird, und er ist auch ein harter Kerl.
Was war der schönste Moment im Rennen?
Die Fahrt durch die Alpen war atemberaubend. Ich gehöre zu den Leuten, die immer dachten, dass die Alpen den Blick auf das Meer versperren, aber diese Fahrt hat mich eines Besseren belehrt. Auch Schweden war wunderschön.
Die Landschaft dort oben war unglaublich. Was mir dort auch sehr gut gefallen hat, ist, dass es Stellen gab, an denen es überhaupt nichts gab. Es war wie eine Achterbahn, auf diesen 4-5 Meter breiten Straßen zu fahren, die sich durch die Wälder und über die Felder schlängeln. Das ist zwar nicht ideal für die Lebensmittelversorgung, aber ich habe die Ruhe sehr genossen.
Mein absolutes Highlight war in der Nähe der norwegischen Grenze. Dort gab es einen Hügel, ich glaube, er war etwa 20 km lang und führte in Richtung Nordlandschaft. Die Stadt hieß Lakselv. Dort hatte ich auch meine einzige Reifenpanne. Innerhalb von 10 Minuten habe ich den Schlauch gewechselt. Ich musste um den Schlauch herumtanzen, weil plötzlich ein Haufen Moskitos über mich herfielen.
Bei der Weiterfahrt habe ich auch wieder einen schönen Sonnenuntergang gesehen. Ich muss mir die Bilder noch einmal ansehen, es war so schön.
Mitten in der Nacht tanzen und auf den letzten Kilometern des Rennens Bier trinken - muss man so verrückt sein, um den ersten Platz zu belegen?
Ich würde mich nicht als verrückt bezeichnen. Ich versuche einfach, mich selbst nicht zu ernst zu nehmen, und ich glaube, das ist der Schlüssel zum Erfolg. Was nützt es schließlich, völlig verbittert durch die Stadt zu gehen und zu versuchen, anderen Menschen aus dem Weg zu gehen. Ich weiß, dass es Rennen wie das TCRN gibt, wo das einfach verboten ist, aber hier ist es erlaubt, mit Leuten zu interagieren, also mache ich es einfach. Teilweise sind wir sogar zusammen gefahren und ich denke, das macht die Veranstaltung so schön. Außerdem geht es bei der ganzen Sache auf Social Media nicht darum, zu zeigen, wie gut ich bin, sondern ich versuche einfach, die Leute mitzunehmen. Wenn es die Leute zum Radfahren motiviert, dann ist das alles, was ich mir wünschen kann! Ich glaube, alles funktioniert einfach besser, wenn man entspannt ist. Natürlich gibt es eine Menge Leute da draußen, die über FTP und Ernährungswissenschaften philosophieren... aber da bin ich sowieso raus aus dem Spiel.
Was hast du bei dem Rennen gelernt?
Ich habe etwas entdeckt, was ich eigentlich schon vorher wusste. Man braucht nicht viel, um glücklich zu sein. Ich weiß, dass das auf der Straße funktioniert, und deshalb fahre ich ein Decathlon-Rad, weil ich weiß, dass es seine Aufgabe erfüllt, dass es ausreicht und ich nicht mehr brauche. Und ich bin auch ein Minimalist in meinem täglichen Leben. Als ich auf dem Rückweg am Flughafen ankam, ging ich durch diesen Duty-Free-Shop, und dieser ganze Konsum hat mich einfach überfordert! Das hat mir einmal mehr gezeigt, dass ich so etwas in meinem Leben nicht brauche. Aus körperlicher Sicht zeigte mir das Ereignis, wo meine Grenzen liegen. Als ich auf der Fähre von Francesco erfuhr, wollte ich nur noch so lange fahren wie er, um die Führung zu behalten. Mit jedem Wettkampf lernt man seinen Körper besser kennen, man lernt, wann man härter pushen kann und wann es Zeit ist, es langsam anzugehen. Auch dieses Mal habe ich also viel für das nächste Mal gelernt
Wie fühlt es sich an, so ein Rennen zu gewinnen?
Ich habe es noch nicht wirklich realisiert. Ich habe mir noch nicht einmal alle Statistiken von Strava angeschaut. Natürlich war ich überglücklich, dass ich den Gipfel erreicht hatte, unabhängig davon, ob ich Erster war oder nicht. Mein eigentliches Ziel war es, am 5. August im Flugzeug zu sitzen, denn heute musste ich um 8 Uhr morgens wieder auf der Arbeit sein, ich hatte also einen engen Zeitplan. Es war also nie mein Ziel, um den Sieg zu kämpfen, aber natürlich war es ein super gutes Gefühl.
Wie feierst du den Sieg?
Ich brauchte keine Party zu schmeißen, die Party wurde für mich geschmissen! Es war ein toller Tag. Mein Vater holte mich vom Flughafen ab, in seinen Händen hielt er diesen Pokal, den er für mich gemacht hatte. Das war eine wirklich schöne Überraschung. Auf dem Heimweg hat mich meine Mutter gefragt, was ich zum Abendessen möchte -ich habe Pasta bestellt, wie immer. Als wir nach Hause kamen, war der ganze Hof voller Menschen: Familie, Freunde, Fans, alle waren da! Es war eine Riesenüberraschung! Mein Lieblingskuchen war da - Mohnkuchen und nach 2 Bier war ich schon fertig (lacht). Es war eine tolle Überraschung.
Daniels Bikepacking Taschenauswahl für das Northcape4000:
FRAME BAG / 01
TOP TUBE BAG / 01
SADDLE BAG / 01
HANDLE BAR AERO BAG / 01
Photo Credits: https://www.northcape4000.com/ Matteo Dunchi
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