Race Across Belgium 2025 - Erfahrungsbericht von Jair Hoogland

Gemeinsam mit drei Clubkameraden vom CS030 und unzähligen anderen stehe ich am Start der Race Across Belgium. Ich habe mich für die 500-km-Distanz angemeldet – die 1000 km kurz nach dem Unknown Race zu fahren, schien mir nicht klug. Ich fühle mich zwar noch etwas müde, aber ich habe wieder Lust zu racen. Große Ambitionen habe ich nicht, aber ich will das Rennen auch nicht auf die leichte Schulter nehmen. Starten, und schauen, wo ich lande.
Das Rennen besteht aus zwei Schleifen auf einer festen Route. Gestartet wird in Braine-l’Alleud. Die erste Schleife führt auf etwas über 200 km Richtung Osten, mit der Mauer von Huy als härtestem Abschnitt. Danach geht es zurück zum Start/Ziel, von wo aus die zweite Runde über gut 300 km durch die Flämischen Ardennen führt – mit bekannten Kopfsteinpflasteranstiegen der Frühjahrsklassiker – bevor man wieder in Braine-l’Alleud ins Ziel kommt.
Wir – Anne, Berber, Maarten und ich – haben ein kleines Häuschen nur einen Steinwurf vom Start/Ziel entfernt. Am Tag vor dem Start richten wir uns dort ein, bereiten uns vor und gehen früh schlafen.
Der Bike-Check findet zwischen sieben und neun Uhr statt, das Briefing direkt im Anschluss. Wir peilen halb neun an, damit wir davor noch in Ruhe frühstücken können.
Danach geht es zur Start-/Zielzone – die sich als richtiges kleines Event-Dorf entpuppt. Groß aufgezogen, was auch nötig ist, denn neben der 500-km-Distanz gibt es auch Rennen über 1000, 300, 200, 100 km und sogar einige Gravel-Strecken.
Nach unserer Ankunft holen wir unsere Startpakete ab und bestehen alle vier den Bike-Check. Wir hatten die Packliste ordentlich studiert und alles dabei – inklusive Trillerpfeife und Müllbeutel.
Bei der Kontrolle ging es hauptsächlich um die Packliste, weniger um den Zustand der Räder. Danach folgt das Briefing – endlos lang, auf Französisch, mit einer holprigen englischen Übersetzung. Es ging viel um andere Rennen, die der Veranstalter noch plant. Zwischenzeitlich fuhr der Sieger des 1000-km-Rennens ein, was Applaus und eine Unterbrechung auslöste. Alles ziemlich chaotisch – zumindest für Leute, die kein Französisch sprechen.
Dann das Aufstellen zum Start. Hier wird einzeln gestartet – alle 30 Sekunden geht jemand auf die Strecke. Meine Startzeit ist 10:35:30, über eine halbe Stunde nach dem ersten Starter. Am Ende zählt die Nettozeit. Diese Startweise dauert ewig, vor allem für jene, die spät dran sind.
Trotzdem schlägt irgendwann 10:35:30, und ich bin froh, endlich auf dem Rad zu sitzen.
Das erste Stück führt durch die Vororte von Brüssel: Eigenbrakel und Waterloo. Es ist fast gut, dass es keinen Massenstart gibt – durch diese engen Gassen wäre das sonst unmöglich gewesen. Was allerdings nicht gut ist: der GPX-Track vom Veranstalter. Nach ein paar Kopfsteinpflastermetern durch ein Wohngebiet werde ich zurück nach Waterloo geschickt. Da der wichtigste Punkt aus dem Briefing war: Verlasse niemals die Route!, folge ich brav dem Track auf meinem Wahoo. Zeitstrafen will ich vermeiden – auch wenn ich sehe, dass ich zu den wenigen gehöre, die dem GPX folgen. Ergebnis: etwa fünf Zusatzkilometer durch die Wohnviertel Waterloos.
Nach den Wohngebieten scheint der Track wieder zu stimmen. Durch ein Waldgebiet geht’s Richtung Osten, mit der Mur de Huy als östlichstem Punkt. Vorher warten aber noch ein paar Hindernisse: zuerst ein bisschen Gravel im Wald, dann eine Kopfsteinpflasterpassage bei Eizer und der Smeysberg aus der Brabantse Pijl.
Da ich als 71. gestartet bin und als einer der wenigen dem GPX durch die Wohngegend gefolgt bin, erreiche ich diese Passagen recht spät – was aber den Vorteil hat, dass ich ständig Leute überholen kann. Das motiviert.
Auf der Hollestraat werde ich selbst überholt – von einem schnellen Fahrer ohne Taschen. Das Rennen erlaubt die Nutzung des „Basecamps“ für Verpflegung, Start und Ziel. Es gibt keine Regel zu Taschen, also holt der Typ wohl seine Nacht-Ausrüstung nach der ersten Schleife. Clever – erlaubt – aber für ein self-supported Bikepacking-Race fühlt es sich nicht ganz richtig an.
Nach den Hindernissen der Brabantse Pijl folgen einige RAVeLs – belgische ehemalige Bahntrassen, ideal zum Weiter-„Pacmannen“ und als Windschutz, da sie meist gut geschützt sind.
Ich nähere mich der Maas und damit Huy. Von der Organisation kommt eine Nachricht: bei Kilometer 107 ist ein kleiner Umweg nötig. Wegen des Chaos in Waterloo und einem Tracker, der schlecht lädt, aber Kilometer anzeigt, weiß ich nicht genau, wo ich bin. Ergebnis: ein unnötig langes Stück über eine Wiese, obwohl eine Straße außen herum möglich gewesen wäre – ärgerlich.
Dann taucht Huy auf. Zuerst sieht man das Kraftwerk, dann die Stadt, dann das Fort – und schließlich beginnt der Anstieg zur Muur. Die ist steil, aber da ich 4–5 Fahrer überhole, ist es erträglich.
Oben folgt logischerweise eine Abfahrt – danach wieder ein RAVeL. Leider frisch asphaltiert – noch warm. Fahren unmöglich. Da man wirklich nicht von der Route abweichen darf, versuche ich es auf dem Gras daneben. Als ich bei der nächsten Passage sehe, dass es wieder warmen Asphalt gibt, schreibe ich der Orga mit Foto, dass ich hier nicht fahren kann – sie geben grünes Licht zum Umfahren. Ich muss trotzdem meine Reifen checken, denn ich will keinen Platten riskieren.
Es folgt der Thier de Huy – noch steiler als die Muur, mit bröseligem Belag. Vermutlich das härteste Hindernis der ersten Schleife – aber ich komme gut hoch. Danach geht es flach an der Maas entlang – Rückenwind, brauchbare Radwege, felsige Hänge, Flussblick. Es läuft.
Es wird warm. Namur rückt näher, ebenso seine Zitadelle – ich wappne mich für die nächste Herausforderung.
Doch vorher beinahe ein Crash: Ein Mann mit Hund – angeleint, aber die Leine quer über dem Radweg. Der Mann träumt, hört meine Klingel nicht – Notbremsung! MERDE – immerhin noch etwas Französisch aus der Schulzeit parat.
Kurz darauf treffe ich einen anderen Fahrer am Ampelstopp. Er sagt, ich hätte ein schönes Rad – ein J. Guillem, wie er selbst. Ich merke erst später, warum er das sagte – perfekt, um die Aufregung zu vergessen. Gemeinsam fahren wir bis zur Zitadelle, wo ich ihn beim Filmen zurücklasse. Die Zitadelle ist eindrucksvoll – wie auch der Blick über Stadt, Fluss und Umgebung.
Zurück in Namur mache ich den ersten Stopp: Tankstelle, Flaschen auffüllen, Cola. Dann geht’s mit Rückenwind zurück gen Westen. Das Terrain wird wellig, es gibt noch einige lange Kopfsteinpflasterpassagen. Meine eine Flasche fliegt bei jedem Schlag raus – ich beschließe, sie später zu tauschen. Bis dahin halte ich sie in der Hand.
Je näher das Basecamp rückt, desto hügeliger wird es.
Kurz vor Ende der ersten Schleife erscheint die Pyramide von Waterloo. Ich war schon mal nachts dort – bei Tag wirkt sie noch imposanter.
Im Basecamp tausche ich meine Flasche, fülle Verpflegung auf und ziehe mich gleich für die Nacht um. Jelle – den ich über Social Media kenne – begrüßt mich, er startet gleich zur 300-km-Strecke. Noch Wasser ins Gesicht – und weiter.
Teil zwei führt wieder durch die Brüsseler Umgebung – viel Bebauung, ein paar schöne Ausblicke auf die Stadt. Nach Schepdaal (Heimat von Remco Evenepoel) wird es ländlicher – das Gelände bleibt hügelig.
Ich treffe auf die ersten 300-km-Fahrer – auch Jelle, der später starker Zweiter wird. Wir plaudern kurz – aber er ist zu frisch, ich lasse ihn ziehen.
Die Sonne geht unter, ich genieße den Moment.
Doch dann merke ich: Ich fahre falsch. Die GPX-Datei scheint zu stimmen, aber ich sehe die Lichter anderer Fahrer im Tal. Der Tracker funktioniert endlich: Ich bin wirklich falsch. Ich lade den Track neu – siehe da: geänderte Route. Offenbar in der Briefing-Session (nur auf Französisch?) angesagt. 10–15 Zusatzkilometer. Ich informiere Maarten, Anne und Berber via WhatsApp – das sehe ich nicht als Support, wir hätten einfach wissen müssen, dass der Track geändert wurde.
Wieder auf Kurs, erkenne ich die Teilnehmer an Helmnummern: Blau = 500 km, Rosa = 300 km.
Die Dörfer sind stimmungsvoll, es ist Freitagabend, die Lokale gut besucht. Es wird kälter, ich ziehe meine Gabba über. Kurz vor der Paddenstraat werde ich von drei Fahrern überholt, darunter die Nummer 523. Draften ist verboten, aber er hängt verdächtig lange im Windschatten der anderen – im Dunkeln ein großer Vorteil. Das ärgert mich.
In Ingelmünster liegt 523 plötzlich auf dem Boden. Trotz allem frage ich, ob alles okay ist – er nickt. 300 Meter später rauscht er bei Rot über die Ampel. Ich will ihn einholen, aber lasse es bleiben.
Später treffe ich Nicolas an einem Nachtsupermarkt in Roeselare – wir füllen Wasser auf und reden auf Niederländisch. Angenehm, nach einem Tag voller „ça va“ und „oui“. Zwei Minuten nach mir schließt der Laden – Fahrer nach uns haben Pech.
Südlich von Roeselare wird es geschichtsträchtig – Passchendaele, Menenpoort, Ieper.
Nach Ieper führt eine große Straße weiter – der Radweg daneben ist miserabel. Ich bleibe auf der Straße. Plötzlich überholt mich ein schneller 300-km-Fahrer – wechselt auf die Straße und stürzt heftig. Ich halte an – er spricht nur Französisch. Zum Glück kommen weitere Fahrer. Wir rufen einen Krankenwagen, geben ihm eine Rettungsdecke. Ein Autofahrer hilft, stellt seinen Wagen schützend ab. Als wir sicher sind, dass Hilfe kommt, fahren wir weiter – mit gemischten Gefühlen.
Im Heuvelland tanke ich mit ein paar knackigen Anstiegen wieder Energie. Scherpenberg, Baneberg, Monteberg, Kemmel – nach der Kemmel denke ich nicht mehr an den Unfall.
Ein langes Stück entlang des Flusses nach Kortrijk folgt. Einfach zu fahren, mental schwer, kalt. Ich begegne wieder Nicolas – und einem Fahrer, den ich „Monsieur Stop-and-Run“ nenne.
In Kortrijk dämmert es – bald wartet die Hölle der Flämischen Ardennen. In Berchem vor dem Oude Kwaremont sortiere ich mich, nehme Snacks zur Hand – da zieht 523 vorbei. Ich fasse ein Ziel: vor ihm ankommen. Wenig später sehe ich ihn auf einer Bank schlafen – ich werde nicht mehr stoppen.
Dann: das große Finale.
Oude Kwaremont, Paterberg, Koppenberg, Taaienberg, Berg Ten Houte, Muur van Geraardsbergen (Kapelmuur), Bosberg – alles Klassiker. Auf den Bosberg muss ich schieben – Schaltfehler. Sonst läuft’s.
Nach den Kopfsteinpflastern flacht es ab. In Halle – 20 km vor dem Ziel – bieten Helfer Snacks an. Ich lehne dankend ab – Versuchung für andere.
Das Hallerbos ist wunderschön. Sonnenstrahlen, steile Rampen. Ich treffe einen 300-km-Fahrer wieder – er läuft, kann nicht mehr schalten. Seit Ieper „Single Speed“ – Respekt!
Letzte Steigung. Er rauscht vorbei, ruft „Last walk of the day“ und rollt dann gemütlich aus, bevor er absteigt. Im Ziel gratuliere ich ihm später – verdient.
Mein Ziel: dieselbe rote Matte, auf der ich gestartet bin.
Es gibt ein Interview, Fotos – wirkt eher inszeniert als interessiert. Ich fasse mich kurz, hole meine Sachen, will heim. Immerhin sehe ich Jelle und Nicolas noch, und wir plaudern nett.
Der Tracker hat kaum funktioniert. Lange weiß ich nicht, ob ich 10. oder 11. geworden bin. Egal – aber schade. Vielleicht liegt’s an der Sprache, aber Race Across Series wirkt wie ein Event-Fließband, nicht wie ein Race von und für Ultra-Racer.
Trotzdem: Es war ein schönes Wochenende. Endlich die Flämischen Ardennen geradelt. Und meine Clubkollegen zum ersten Mal bei einem Bikepacking-Rennen erlebt.
Platzierungen:
10/126 Jair
24/126 Maarten
55/126 Berber (Damen: 3/9)
DNF Anne (aber stark gekämpft)
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